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Das Möbelhaus – Von Technik und Kommunikation

Eigentlich wollte ich nur ein Möbelhaus besuchen, zu meiner Überraschung bin ich in einem Technik- und Kommunikationsmuseum der 90er Jahre gelandet. Den Unternehmensnamen nenne ich hier bewusst nicht. Es geht mir nicht darum, irgendwelchem Ärger Luft zu machen. Ich war einfach überrascht, dass es so etwas noch gibt. So überrascht, dass ich das Unternehmen sogar gegoogelt habe, weil ich es nicht glauben wollte. Tatsächlich bin ich nicht alleine mit meiner Erfahrung. Außerdem hat das natürlich auch etwas mit Kommunikation zu tun. Denn das Image eines Unternehmens bildet sich, weit mehr als durch Marketing-Kampagnen, im direkten Kontakt mit den Kunden.

Worum es geht

Also erst einmal um die Familie. Kurz: Wir wollten neue Betten für die Kinder kaufen. Die Große hatte gerade ihr Kinderzimmer in ein Jugendzimmer verwandelt und fand das alte Bett nun nicht mehr passend, die Kleine wollte nicht nachstehen und war ganz versessen darauf, ein Bett zu bekommen, bei dem sich unten ein weiteres Gästebett ausziehen lässt. „Papa, damit auch mal Freundinnen bei mir schlafen können“. Also sind wir zu dritt – die Große hatte andere Verpflichtungen – an einem Samstag los in das Möbelhaus. Die Kette, zu der das Geschäft gehört, ist einer der größten Anbieter auf dem deutschen Markt und nicht blau-gelb.

Die Bestellung

Das Möbelhaus sah innen aus, wie alle Möbelhäuser aussehen: Ein Haufen Möbel steht fein sortiert nach Zimmer und Bestimmung zusammen. Dort wo die Kinderbetten sich zusammenrotten, trafen wir eine Vorauswahl und suchten dann nach einer Verkäuferin. Denn nach der ersten Durchsicht war Beratung notwendig. Die erste Verkäuferin, die ich ansprach, weil sie ohne erkennbaren Arbeitsauftrag in der Nähe stand, erklärte sich für nicht zuständig. Netterweise verwies sie mich an einen Schreibtisch etwas weiter weg.

An diesem Schreibtisch saß auch besagte Verkäuferin in einem Gespräch mit einer Kundin. Also wartete ich und wartete und wartete. Als ich mich gerade abwenden wollte, sah mich die Kundin, mitleidig lächelnd an: „Warten sie lieber, ich bin gleich fertig“. (Später verstand ich dann woher dieser mitleidige Blick kam.) Warten finde ich noch nicht einmal negativ. Wenn ich schnelle Bedienung möchte, muss ich zu einem teuren Einzelhändler gehen, irgendwo müssen die Preise der Möbelhausketten ja herkommen.

Überraschender als das Warten war der Bestellprozess. Die Verkäuferin, sehr nett und kompetent, beriet uns gut und wir waren willig ein Bett zu kaufen. Zumal es an diesem Samstag eine Rabattaktion gab. Super Sache. Also los, schnell bestellt und dann ab nach Hause. Mit schnell Bestellen war aber nix, dazu fehlte ein modernes Warenwirtschaftssystem.

Am Schreibtisch der Verkäuferin hatte ich einen guten Blick auf den Monitor. Und der Monitor musste irgendwo in einem Zeitloch in den 90er stehen. Was ich da sah, hatte ich zuletzt bei Windows 3.1 Benutzeroberflächen gesehen – Ich dachte, so etwas gibt es nur noch in Arztpraxen. Leider war nicht nur die Grafik, sondern auch das Handling Windows 3.1. Die bedauernswerte Verkäuferin musste jedes einzelne Teil, das für unsere Bestellung notwendig war, aus einem Katalog des Herstellers heraussuchen und mit kompletter Bezeichnung, langer Artikelnummer und Preis per Hand in eine Maske eingeben. Nix alles mit ein paar Klicks schnell zusammengestellt. Netterweise wurden wir gefragt, ob wir nicht im Restaurant einen Kaffee trinken möchten, es könnte länger dauern.

Wir verneinten, da wir eigentlich für den Nachmittag noch zum Kaffee verabredet waren. Wie dumm von uns. Nach gut einer dreiviertel Stunde hatte die Verkäuferin alles eingegeben und machte sich an den Ausdruck. In einer Ecke fing ein 9-Nadeldrucker, sozusagen die Dampfmaschine unter den Druckern, an zu pfeifen, rattern und singen. Nach einiger Zeit hatte er dann auch den Auftrag in dreifacher Ausführung mit Durchschlägen aufs Papier getackert. Jetzt, nachdem alles ausgedruckt war, zückte die Verkäuferin einen Taschenrechner, um den Rabatt der Sonderaktion auszurechnen und handschriftlich auf dem Auftrag zu vermerken. Die Frau war wirklich nett und tat mir ein wenig leid.

Leid tat mir auch, dass wir inzwischen den für den Nachmittag geplanten Termin verpasst hatten. Aber glücklicherweise gab es zu dem Bett vom Hersteller einen kostenfreien Liefer- und Aufbau-Service, so dass wir erst bei Lieferung bezahlen mussten. Denn im Kassenbereich konnten wir ein anmutiges Ballett von Kunden, Kassierern und weißen Zetteln bewundern. Dabei wedelten verzweifelte Kunden auf der Suche nach dem richtigen Zettel mit den dreifach ausgeführten Aufträgen und die Kassierer schüttelten dazu mit ernster Miene den Kopf, wenn sie nicht den richtigen Auftrag vorgelegt bekamen.

Die Stornierung

Zugegeben, die Bestellung hat unter anderem so lange gedauert, weil wir das Bett doppelt bestellt hatten und die Verkäuferin, die Bestellung zweimal in vollem Umfang eingeben musste. Aber die Idee war für uns bestechend: Wenn der großen Tochter das Bett auch gefallen würde, hätten wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Wenn nicht, stornieren wir es einfach, was wir uns extra auf dem Auftrag bescheinigen ließen – handschriftlich natürlich. Die sympathische Verkäuferin machte uns auch darauf aufmerksam, dass sie in der nächsten Woche nicht da sei und gab uns eine Telefonnummer einer Kollegin, der sie Bescheid geben würde.

Natürlich wollte die Große nicht das gleiche Bett wie die Kleine. War auch ziemlich naiv von uns, das anzunehmen. Also rief ich gleich montags bei dem Möbelhaus an, um die Bestellung zu stornieren. Die freundliche Kollegin der Verkäuferin wusste auch Bescheid, sagte aber, dass sie noch den Ordner holen müsse und sich dann wieder melden würde. Erst nach dem Auflegen, fing mein Hirn wieder an zu arbeiten. Immer wieder hallte „Ordner holen“ durch meinen Kopf.

Für die Jüngeren unter den Lesern: beim Ordner holen, steht man von seinem Arbeitsplatz auf, geht zu einer großen Schrankwand, in der viele meist alphabetisch geordnet Ordner stehen, holt den betreffenden Ordner heraus und trägt ihn zu seinem Arbeitsplatz. Dort schlägt man den Ordner auf und sucht zwischen Registertrennern, die so eine Art Ordner im Ordner sind, nach dem Auftrag. Für die Älteren: Ordner holen ist in etwa das, was ein Computer macht, wenn man in einer Suchmaske den Namen des Kunden eingibt und er dann in Sekundenschnelle den kompletten Vorgang auf dem Bildschirm anzeigt.

Selbstredend rief die freundliche Kollegin nicht mehr am gleichen Tag zurück. Wahrscheinlich war sie damit beschäftigt, unzählige Ordner aus einer Schrankwand zu ihrem Schreibtisch zu tragen. Als ich am nächsten Tag noch einmal telefonisch nachfragte, entschuldigte sie sich dafür, hatte den Ordner aber an ihrem Schreibtisch und ich konnte den Auftrag stornieren.

Das Lattenrost

Etwa anderthalb Wochen später bekam ich dann einen Anruf eines anderen netten Mitarbeiters des Möbelhauses. Der findige Mitarbeiter hatte sich den Auftrag noch einmal angesehen und ihm war aufgefallen, dass eins der bestellten Lattenroste nicht in das Bett passen konnte. Zur Erinnerung, das Bett hat ein zweites ausziehbares Bett. Die Maße des ausziehbaren Bettes waren nun nicht die gleichen wie die des eigentlichen Bettes. Ich bedankte mich recht herzlich für seine Aufmerksamkeit und bestätigte ihm, dass der Auftrag entsprechend geändert werden sollte.

Gut eine Woche später bekam ich dann auch eine Mail des Mitarbeiters. Der Betreff der Mail war der Name des Möbelhauses. Immerhin, so konnte ich die Mail wenigstens zuordnen. Denn einen Text hatte die Mail nicht – noch nicht einmal eine automatische Signatur. Ich starrte auf einen weißen, leeren Bildschirm. Glücklicherweise fiel mir das PDF im Anhang mit dem vielsagenden Titel „SMNEFEH1015112300071.pdf“ auf. In dem PDF fand ich dann die eingescannte Version eines Laufzettels mit der Überschrift „Auftragsänderung“. Hier war handschriftlich die Änderung mit der genauen Bezeichnung des alten Lattenrostes und des neuen Lattenrostes sowie des Aufpreises vermerkt.

Über die Merkwürdigkeit des gescannten Laufzettels habe ich mich nach den vorherigen Erlebnissen schon nicht mehr gewundert. Die leere Mail hingegen fand ich sehr befremdlich. Insbesondere als ich einige Tage später mit meiner Frau darüber sprach und ihr einfiel, dass jemand von dem Möbelhaus angerufen hätte und ich irgendwas unterschreiben sollte. Gut, da hat es auch ein kleines Kommunikationsleck in unserer Ehe gegeben. Passiert aber eben manchmal und damit sollte ein Unternehmen, dessen Zielgruppe vornehmlich Familien sind, auch rechnen.

Ich habe das PDF dann ausgedruckt, unterschrieben, wieder eingescannt und per Mail mit Anschreiben zurückgeschickt. Danach habe ich gehofft, dass ich das Ganze nicht noch einmal per Post wiederholen musste. Mittlerweile hätte mich das auch nicht mehr gewundert.

Der Liefertermin

Anschließend habe ich eine ganze Weile nichts von dem Unternehmen gehört und erst als es mit großen Schritten auf Weihnachten zuging, machte ich mir allmählich Sorgen, dass es mit dem Weihnachtsgeschenk für die Kleine vielleicht nichts geben würde. Inzwischen hatte die Große ihr Bett, das sie dann doch in der schwedischen Pommesbude mit angeschlossener Möbelausstellung bestellt hatte, geliefert bekommen.

Leider blieben alle Anrufversuche bei dem Möbelhaus in der Wartschleife hängen. Vor Weihnachten war es mit teilweise halbstündigen Wartezeiten nicht möglich, einen Mitarbeiter ans Telefon zu bekommen. Die Warteschleifenmusik habe ich in dieser Zeit manchmal nachts im Schlaf gesummt. Irgendwann habe ich es dann aufgegeben und wir haben der Kleinen erklärt, dass ihr Weihnachtsgeschenk erst nach Weihnachten kommt. „Ist ja nicht schlimm Papa, Hauptsache ich bekomm mein Bett noch“

In den Weihnachtsferien waren wir dann ein paar Tage im Urlaub, so dass ich den nächsten Versuch, erst so um den 10. Januar 2016 startete. Die Weihnachtsbeschwerdewelle war wohl vorbei und ich bekam sofort jemanden ans Telefon. Die junge Dame sagte, dass man schon versucht hätte mich anzurufen. Nennen wir das mal geschwindelt. Das Unternehmen hatte meine mobile und meine geschäftliche Telefonnummer. Mein Smartphone habe ich nun auch im Urlaub immer dabei und mein geschäftliches Telefon verfügt über einen Anrufbeantworter und Anruflisten. Auf keinem der Telefone war ein Anruf des Möbelhauses eingegangen.

Wie dem auch sei, die Dame freute sich, mir mitteilen zu dürfen, dass das Bett Ende Januar geliefert würde. Dreieinhalb Monate Lieferzeit für ein Standard-Kinderbett. Respekt. Als wir im weiteren Verlauf des Gesprächs dann einen genauen Termin ausmachten, habe ich das erste und einzige Mal in diesem Ganzen Hickhack die Contenance verloren. Denn mit der Bestätigung des Termins sagte sie mir, dass die Lieferanten an diesem Tag zwischen 7.00 Uhr morgens und 18.30 abends kommen würden. Auf die Frage, ob man das nicht ein wenig eingrenzen könnte, bekam ich die Antwort: „Das disponieren die Lieferanten selber, da haben wir keinen Einfluss drauf. In der Regel würden die Lieferanten aber eine Stunde vorher anrufen“. Herzlichen Dank. Für diesen Tag habe ich dann keine weiteren Termine gemacht.

Die Lieferung

Gestern kam dann die Lieferung. Die Lieferanten haben auch angerufen – eine viertel Stunde vorher. Zum Glück hatte ich beschlossen, das Haus an diesem Tag besser nicht zu verlassen. Ansonsten kann man über die Lieferung und den Aufbau nichts allzu Schlechtes sagen. Dass sie die weißen Plastiknippel nicht in die Löcher gesteckt haben – geschenkt.

Amüsant war dann aber wieder die Rechnung. Das geänderte Lattenrost eingerechnet, wies sie gegenüber dem Betrag auf dem Auftrag gut drei Euro mehr zu meinen Ungunsten auf. Ein Anruf der Lieferanten im Unternehmen brachte da auch kein Licht ins Dunkle. Man konnte sich das nicht erklären. Letztlich war es mir egal. Ich hielt so oder so einen höheren Betrag bereit, weil ich den Lieferanten noch Trinkgeld geben wollte. Das hat sich dann eben entsprechend verringert.

Was bleibt

Eine große Leere. Ich war froh, als die Lieferanten endlich das Haus verlassen hatten. Wenn man mich nach meinen Erlebnissen fragt, welches Image das Unternehmen für mich nun hat? In einem dunklen Büro sitzt ein alter Mann hinter einem verstaubten Herrenschreibtisch aus Eiche und sagt: „Das haben wir immer schon so gemacht“. In etwa so sehe ich das Möbelhaus heute.

 

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