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Social Media in Unternehmen – oder, Papa sind wir schon da?

Die Relevanz von Social Media als Kommunikationsinstrument für Unternehmen steigt stetig. Darüber sind sich mittlerweile alle einig. Eigentlich stellt sich nur noch die Frage, wann und in welcher Form Social Media in den Unternehmen wirklich ankommt. Thilo Specht geht in seinem Blog lesenswert davon aus, dass in fünf Jahren niemand mehr von Social Media redet, weil es zum Alltag geworden ist. Es spricht viel dafür, dass es so kommt. Aber es spricht auch einiges dafür, dass der Einzug von Social Media in die Unternehmen länger dauern könnte, als erwartet. Ich denke, wir stehen am Anfang eines Prozesses, der mehr umspannt als die Frage nach dem Einsatz in der Unternehmenskommunikation.

Was für eine schnelle Verbreitung von Social Media in Unternehmen spricht

In erster Linie spricht das Verbreitungstempo von Social Media selbst für eine schnelle Etablierung in den Unternehmen. Je mehr Menschen sich in Social Media engagieren, desto höher wird auch die Relevanz für die Unternehmenskommunikation. Dabei muss man kein Prophet sein, um zu sehen, dass sich die Nutzerzahlen in den nächsten Jahren weiter rasant entwickeln werden. Denn die Social Media Netzwerke wachsen gerade über sich hinaus und werden auch außerhalb ihrer Grenzen immer sichtbarer. Beste Beispiele sind der Like-Button von Facebook und Twitters Anywhere. Eine Strategie, der sicherlich bald andere Netzwerke folgen werden, wenn sie nicht hinten runter fallen wollen. Damit kommen immer mehr Menschen, die das Internet bislang mehr zum Surfen als zum Interagieren genutzt haben, mit Social Media in Berührung. Langfristig werden Social Media so zum integralen Bestandteil des Internets und vielleicht der gesellschaftlichen Kommunikation überhaupt. Zudem hat sich die Durchlässigkeit zwischen Social Media und den klassischen Medien erhöht. So verweisen sogar die altehrwürdigen Tagesthemen regelmäßig auf die Möglichkeit, im Anschluss der Sendung auf Facebook zu diskutieren. Neben den Medien, die ihre Inhalte verstärkt über Social Media verbreiten, nutzt auch eine Vielzahl von Journalisten Soziale Netzwerke zur Recherche und Kommunikation. In der Folge erscheinen immer mehr Artikel zu Social Media in den klassischen Printmedien und sorgen für eine weitere Popularisierung von Facebook, Twitter und Co. Nicht zuletzt leistet auch der Trend hin zu Smartphones weiteren Vorschub. Durch die damit verbundene Ausbreitung des Mobile Webs wird das, was einmal ein Handy war und maximal zum Telefonieren gut, zu einem umfassenden Kommunikations- und Informationsinstrument. Augmented Reality ist hier das Stichwort, das zeigt, wo die Reise hin geht. Überhaupt scheint der Siegeszug des Handys, Parallelen mit der Entwicklung von Social Media aufzuzeigen. Gab es noch vor fünf bis sechs Jahren etliche Handyverweigerer, die für die Aussage, man muss ja nicht überall erreichbar sein, nickenden Beifall bekamen, sind sie nun eher rar geworden und werden als komische Käuz belächelt, die nie erreichbar sind. Das Handy ist Alltag geworden und durch die Integration in den Alltagsgegenstand Handy werden Social Media weit mehr gewinnen als bisher. Denn zusätzlich zu der dadurch sinkenden Hemmschwelle ist das Handy im Gegensatz zum Computer bei den meisten Menschen immer an. Informationen lassen sich so auch mal schnell ohne den Aufwand des PC-Starts nebenher abrufen. Einen ähnlichen Effekt werden zudem die Zentralisierungstendenzen, die sich derzeit in den Social Media mit dem riesigen Wachstum von Facebook abzeichnen, haben. Denn je mehr Menschen man aus seinem Freundes-, Bekannten und Kollegenkreis über einen einfachen Zugang erreichen kann, desto höher wird auch die Attraktivität und der Sog des Angebotes.

In dieser Hinsicht weisen alle Anzeichnen daraufhin, dass sich mit der weiteren Verbreitung von Social Media auch die Kommunikation der Menschen und damit das Zusammenleben der Menschen massiv verändern wird. Allein die Möglichkeiten des Informations- und Gedankenaustausches zwischen Menschen, die sich früher schon durch räumliche Beschränkungen nicht begegnet wären, führt zu einer Verstärkung von Themen und Interessen. Dabei werden zukünftig wohl auch Sprachbarrieren fallen. Denn die Forschung rund um Übersetzungsdienste ist im vollen Gange und schafft schon heute beachtliche Ergebnisse. Um zum Thema Unternehmen zurückzukommen. Mit der Veränderung der Kommunikationsgewohnheiten der Menschen wird es langfristig keine Frage sein, ob Unternehmen Social Media integrieren werden oder nicht. Dabei wird es noch nicht einmal die Argumentation um den Nutzen und ROI benötigen, die wir aktuell führen. Mit dem weiteren Social Media Wachstum wird sich die Umwelt der Unternehmen in vielerlei Hinsicht so stark verändern, dass ein Anpassungsdruck entsteht, dem sich die Unternehmen nicht entziehen können, wenn sie ihr Ziel der Gewinnmaxierung erfüllen wollen. Dass die Nutzen-Debatte geführt wird, zeigt nur, dass der Zusammenhang zwischen Kommunikation und Gewinn aufgrund seiner Komplexität in vielen Unternehmen gar nicht klar ist, sowie, dass die Verbreitung und Kenntnis von Social Media geringer ist als gemeinhin von ihren Protagonisten vermutet wird.

Was gegen eine schnelle Verbreitung von Social Media in Unternehmen spricht

Mit der Veränderung der Umwelt der Unternehmen kommt man aber an einen Punkt, an dem die erste Skepsis Einzug hält, wie schnell sich Social Media in Unternehmen etablieren. Zu Recht wird davon gesprochen, dass mit der Etablierung von Social Media ein Wandel der Unternehmenskultur einhergehen muss. Dabei sind die Möglichkeiten, die Social Media in Marketing, Unternehmenskommunikation und CRM eröffnen, nur die Spitze des Eisberges. Verfolgt man die Diskussionen weiter stößt man schnell auf Themen wie Wissensmanagement, Enterprise 2.0 und die Veränderung der Lebens- und Arbeitsweisen, die immer weniger eine Trennung von Beruf und Freizeit zulassen. Zudem werden Social Media durch die Reaktionen der Menschen immer mehr Einfluss auf die Entwicklung und Gestaltung von Produkten nehmen. Die Frage ist, wie schnell wandeln sich Unternehmen? Aktuell scheinen sich hier Interesse und Verharren die Waage zu halten. So verbieten immer noch 50 Prozent der Unternehmen Social Media am Arbeitsplatz. Sandra Sieber stellt in der Studie für Cisco fest, dass viele Führungskräfte zu alt für Social Media sind. Ein Aspekt dieser Verweigerungshaltung ist sicherlich auch, dass das Tempo des Informationsflusses „in“ Social Media und „außerhalb“ Social Media unterschiedlich ist. In Social Media verdichten sich Themen und Informationen sehr viel schneller. Allein die Diskussion um den Einsatz in Unternehmen hat sich innerhalb nur eines Jahres von der Aufzählungen der Nutzen hin zu konkreten Problematiken wie Erfolgsmessung und Ansprüche an Berater entwickelt. Außerhalb von Social Media verdichten sich Themen allerdings wesentlich langsamer. Verantwortliche und Führungskräfte entscheiden hier immer noch auf der Basis, dass sie Kenntnis davon haben, dass es Social Media gibt, aber keine Kenntnis darüber, was es ist. Hinzu kommt, dass Unternehmen in den letzten 20 Jahren auf Corporate Identity, die im Kern auf Kontrolle und ein hierarchisches System von Informationsfreigaben aufgebaut ist, getrimmt wurden. Social Media scheint dem entgegenzustehen. Damit wächst auch das Unbehagen gegenüber der Nutzung von Social Media in Unternehmen, weil alte Macht- und Kompetenzstrukturen aufgelöst werden.

Zusätzlich wächst auch das persönliche Unbehagen gegenüber Social Media und fließt in die Entscheidung ein. Denn die Debatte um den Datenschutz in den sozialen Netzwerken wird zunehmend auch in den klassischen Medien geführt und kommt bei den Unternehmern damit fast zeitgleich mit der Diskussion um die positiven Effekte von Social Media an. Überhaupt, weißt diese wichtige Diskussion, die Christoph Kappes hier zwar sehr lang aber um so lesenswerter am Beispiel Facebook analysiert, auf einen durch Social Media ausgelösten tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel hin. Der aktuellen technischen Entwicklung von Social Media folgt eine gerade erst beginnende politische und rechtliche Diskussion. Wie umfassend der Wandel ist, lässt sich nur schwer ermessen. Wahrscheinlich erscheint aber, dass er umfassender wird, als wir es bislang erahnen. So ist absehbar, dass die nächste Diskussion um Arbeitsverträge und Formen der Zusammenarbeit geführt wird, wenn Social Media zunehmend räumliche und zeitlich Barrieren der Zusammenarbeit auflösen. Ebenso absehbar ist die Diskussion um die Regelung der politischen Einflussmöglichkeiten via Social Media. Dies sind nur Stichworte, zu dem, was die Rahmenbedingungen sowohl der Unternehmen, die Social Media anbieten, als auch der Unternehmen, die Social Media nutzen, verändern wird. Letztendlich wird es unter anderem vom Verlauf dieser gesellschaftlichen Diskussionen abhängen, wie schnell und in welcher Form sich Social Media in den Unternehmen etablieren.

Insgesamt denke ich, dass wir erst am Anfang einer Entwicklung stehen, die weit mehr beinhaltet, als wir derzeit absehen können. Schon allein für den Einsatz in Unternehmen zeigt die Verästelung der Diskussion, dass Social Media alle Unternehmensteile berührt. Der Einsatz in der Unternehmenskommunikation kann da nur der erste Schritt sein. Ein vorsichtiges Herantasten sozusagen, bevor weitere Unternehmensteile einbezogen werden. Wie nachhaltig und schnell sich Social Media darüber hinaus in Unternehmen etablieren, hängt stark davon ab, wie schnell Social Media einen ähnlich alltäglichen Status als Kommunikations- und Informationsmittel erlangen wie Telefon, Radio oder Fernsehen. Davor stehen allerdings noch die gesellschaftlichen Diskurse, die darüber entschieden werden, in welchen Rahmenbedingungen Social Media überhaupt möglich sind.

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