Social Media

Abmahnwahn – Der nächste Wolfskin wird kommen

Im Blog von Patrick Breitenbach habe ich mich ja schon zum Thema Jack Wolfskin geäußert. Und auch sonst scheint in der Diskussion rund um, „was Wolfskin alles falsch gemacht hat“, schon so ziemlich alles gesagt worden zu sein. Auf Fahrt nach Hause beschäftigte mich allerdings immer noch die Frage: Wie konnte es kommen, dass innerhalb von nur wenigen Wochen mit Jako und Wolfskin zwei fast identische Fälle auftreten, in denen das Thema Social Media so massiv unterschätzt wurde? Ich denke, die Antwort lässt sich nicht nur auf menschliches Versagen reduzieren. Es ist vor allem ein Problem der Organisationsstrukturen in den Unternehmen. Die Menschen handeln letztlich innerhalb dieser Strukturen. Jetzt nicht weglesen, ich lasse es nicht allzu abstrakt werden.

Beide Fälle sind fast identisch

Um die Gemeinsamkeiten in beiden Fällen kurz zusammenzufassen, ausführlich sind hier Wolfskin und hier Jako gut beschrieben:

In beiden Fällen…

  • ging es um eine Verletzung der Markenrechte und das Logo
  • wurden die Anwälte der Unternehmen aktiv und nicht die Kommunikationsabteilung
  • hatten die Unternehmen (wohl) aus juristischer Sicht Recht
  • haben die Unternehmen nach den Etiketten der normalen Umgangsformen unrecht
  • begaben sich die Unternehmen auf das Social Media Feld
  • schlug ihnen der geballte Zorn der Netzgemeinde entgegen
  • benötigten die Unternehmen recht lange für eine Stellungnahme

Unternehmen sind (noch) blind auf dem Social Media Auge

Bei so vielen Gemeinsamkeiten stellt sich für mich, unabhängig von den vielfach diskutierten Marken-, Image und Kommunikations-Aspekten, die Frage, welche Mechanismen dahinter stecken. Ein Erklärungsansatz ist, dass Organisationen – Unternehmen sind ja nichts anderes – sich in an einem spezifischen Interesse ausrichten und in dieser Hinsicht Effektivitäts- und Rationalitäts-Kriterien entwickeln, nach denen bestimmte Ereignisse eingeordnet werden. Einfach ausgedrückt, Unternehmen haben das Interesse einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen und nach diesem Ziel werden alle Aktivitäten innerhalb des Unternehmens ebenso wie außerhalb des Unternehmens bewertet. Nun ist es mit der Rationalität und Effektivität aber so eine Sache, wenn sich die Umwelt des Unternehmens verändert. Denn die entwickelten Kriterien wirken wie ein Wahrnehmungsfilter nach dem Ereignisse selektiert werden. Am Fall Jack Wolfskin und JAKO lässt sich das schön nachzeichnen. Denn beide Unternehmen hatten das Phänomen Social Media noch gar nicht wahrgenommen. Sie waren auf diesem Auge blind. Es griffen noch die alten bislang effektiven Unternehmensmechanismen: Markenrechts-Verletzungen ist ein juristisches Problem, also in der Rechtabteilung und nicht in der Kommunikations-Abteilung angesiedelt. Die Rechtsabteilung schickt sofort eine Abmahnung mit möglichst großem Drohpotential ab. Der Abgemahnte zahlt und duckt sich weg. Folglich ist Ruhe im Karton und der Gewinnmaximierung steht nichts mehr im Wege. In der Zeit vor Social Media eine sehr rationale und effektive Vorgehensweise. Denn letztlich hat der Abgemahnte das Ganze als sein individuelles Problem aufgefasst. Es fehlte die Möglichkeit zur Kommunikation mit anderen in einer ähnlichen Situation. Im schlimmsten Fall gab es die eine oder andere Beschwerde-Mail, die geflissentlich ignoriert werden konnte.

Soacial Media hat die Unternehmensumwelt verändert

Nun hat Social Media die Umwelt der Unternehmen aber massiv verändert. Menschen reden miteinander und das, unabhängig von zeitlichen und räumlichen Grenzen. Dadurch wird aus dem individuellen meist regional begrenzten Einzelfall schnell der Regelfall, an dem sich die negative Meinung vieler Menschen zum Unternehmen verdichtet. Das rein juristische Problem ist damit zum Image- und Kommunikations-Problem mutiert und bedroht wiederum den Gewinn. Dass die Reaktion der Unternehmen in beiden Fällen länger auf sich warten ließ, ist letztlich ein Zeichen für die Social Media Blindheit von JAKO als auch Wolfskin. Es benötigte seine Zeit bis sie überhaupt wahrgenommen haben, dass sich ein Social Media Sturm zusammenbraute, denn ein Monitoring ist äußerst unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist eher, dass sie erst über die Artikel in klassischen Medien Wind vom Wind bekamen, der ihnen ins Gesicht blies. Und dann musste noch ein Weg für eine Antwort gefunden werden. Beide Unternehmen verfügen schließlich über keinerlei offizielle Social Media Zugänge. Anders als bei den klassischen Printmedien, für die die Unternehmen mit Sicherheit gut aufgestellte Presseverteiler haben, fehlte hier die Kenntnis der wichtigsten Akteure in der Diskussion. Ebenso zeigen auch die stark an Presseinformationen orientierten Stellungsnahmen sowohl vom Inhalt als auch von der Form her, wie stark die Kommunikation der Unternehmen noch an der klassischen Pressearbeit ausgerichtet ist.

Der nächste Fall kommt schneller als wir denken

Für alle, die ständig im Netz unterwegs sind, erscheint es vielleicht überraschend und fahrlässig von Wolfskin, weil doch vor kurzem erst JAKO nach Kanossa gehen musste. Doch Social Media spielt in der Wahrnehmung der meisten Unternehmen derzeit eine marginale Rolle – vor allem weil die Organisationsstrukturen nicht darauf ausgerichtet sind. Nicht umsonst setzen die meisten Agentur-Präsentationen auf Slideshare bei der Erklärung an, was Social Media überhaupt ist. Ich denke, es wird noch dauern bis die Mehrzahl der Unternehmen die Bedeutung von Social Media für ihre Marke im Positiven wie im Negtiven erkannt, die Wahrnehmungsfilter abgebaut und die Organisationsstrukturen angepasst haben. Fast möchte man wetten, dass wir innerhalb der nächsten paar Wochen wieder in unserem trauten Social Media Heim sitzen und den nächsten „PR-Gau“ mit den gleichen Zutaten diskutieren.

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