Pressearbeit

Native Advertising – Die PR-Branche schneidet sich ins eigene Fleisch

Letzte Woche teilte Norbert „Nordbergh“ Diedrich einen Artikel von iBusiness in meine Timeline. Darin prangert der Verleger Joachim Graf mit drastischen Worten die Praxis vieler Verlage an, Werbung und Redaktion nicht mehr sauber zu trennen. Immer häufiger werden Artikel gegen Bezahlung im redaktionellen Teil untergebracht und nicht als Advertorial gekennzeichnet. Die Artikel werden teils direkt von den PR-Agenturen oder -Abteilungen der Unternehmen, teils sogar direkt von den Redaktionen erstellt. Mittlerweile beteiligen sich auch so genannte Leitmedien wie das Handelsblatt an dem einträglichen Geschäft, das wohl neuerdings den klangvollen Namen Native Advertising trägt.

Nicht neu, aber immer häufiger

Unabhängig davon, wie man es nun nennen mag, ist diese Praxis nicht neu. Allerdings greift sie immer weiter um sich. Nur ungern erinnere ich mich an einen Kontakt zu einer größeren Regionalzeitung im süddeutschen Raum. Bei einem vereinbarten Interview gab der Redakteur, der als solcher auch im Impressum der Zeitung aufgeführt war, auf einmal den Anzeigenverkäufer. Er könnte ja nur ein kurzes Interview von drei Fragen veröffentlichen, wenn der Unternehmer allerdings das Anzeigenpaket buchen würde, dann ließe sich bestimmt etwas mehr machen und auch die langfristige Berichterstattung über das Unternehmen wäre gesichert. In den Vorgesprächen war davon nie die Rede.

In solcher Unverfrorenheit habe ich es zum Glück nicht noch einmal erleben müssen. Allerdings ist es schon auffällig, dass die Trennung von Anzeige und Redaktion in den letzten Jahren immer mehr aufweicht. Bei den gängigen Publikumsmagazinen von Mode bis Food ist man es gewöhnt, dass Erwähnungen von Produkten erst ab einem gewissen Werbebudget möglich sind. Ganz abgesehen davon, dass in vielen dieser Magazinen Werbung und Redaktion schon von der Aufmachung kaum zu unterscheiden sind, haben Mittelständische Unternehmen ohne großes Werbebudget kaum ein Chance, ihre Produkte im redaktionellen Bereich unterzubekommen. Ebenso bekannt ist, dass die Sonderbeilagen zu Messen und andren Themen wie Bauen oder Auto nur über Anzeigen finanziert und die zahlenden Unternehmen entsprechend erwähnt werden. Diese Beilagen finden sich auch bei allen großen Medien von FAZ bis Süddeutsche. Von Verlagsseite aus verständlich, denn irgendwie muss ja Geld verdient werden, wenn der Anzeigenmarkt an anderer Stelle einbricht. Immerhin sind die Beilagen erkennbar vom Hauptmedium getrennt. Teilweise haben sie sogar einen eigenen Namen.

Kein Grund zum Jubeln

Der Fall des Handelsblatts hat aber nun eine neue Qualität. Die Unternehmen erhalten direkt auf Seite 3 redaktionellen Raum gegen Bezahlung. Viele Agenturen werden zwar jubeln, weil es ja so schön einfach ist, dem mittelständischen Kunden zu verkaufen, dass man es geschafft hat, ihn ins Handelsblatt zu bringen. Langfristig schneidet man sich damit aber ins eigene Fleisch. Denn:

1. Der Wert der Pressearbeit steigt und fällt mit der Glaubwürdigkeit und der Qualität der Medien. Je mehr redaktionellen Raum diese aber gekauften Artikeln einräumen, desto weniger werden die redaktionelle Inhalte über Unternehmen ernst genommen.

2. Pressearbeit mutiert damit immer mehr zum Anzeigenverkauf. Für den Kunden bedeutet dies zudem steigende Kosten. Denn neben der Arbeit der Agentur müssen auch noch die Forderungen der Medien erfüllt werden.

3. Langfristig wird das dazu führen, dass einige Kunden abspringen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Redaktionen zum Teil die Texte gleich miterstellen. Denn kaum ein Mittelständler wird bereit sein, zusätzlich zum PR-Budget noch ein weiteres Budget aufzulegen. Da ist es doch einfacher, das gesamte Budget für garantierte Artikel anzulegen.

Insgesamt bin ich schon länger der Meinung, dass es speziell gegenüber Mittelständler immer schwieriger wird, eine breit angelegte Pressearbeit zu rechtfertigen. Abseits der Fachmedien (die im Übrigen auch häufig Artikel nur bei entsprechendem Anzeigenvolumen veröffentlichen) dünnen die für Mittelständler interessanten Medien immer weiter aus. In den großen, auflagenstarken Medien spielt der Mittelstand schon länger eine so untergeordnete Rolle, dass es fast einem Sechser im Lotto gleichkommt, hier eine Erwähnung in einem Artikel zu erzielen. Nicht nur deshalb sollten Mittelständler über Social Media nachdenken, um eigene Kommunikationswege mit Kunden und Interessenten zu etablieren.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.